Städte und Gemeinden profitieren in einem nicht unerheblichen Ausmaß von kitafrei lebenden Familien, da diese die ohnehin meist prekäre Kitaplatz-Situation entlasten und derzeit hierzu keinerlei finanziellen Ausgleich oder andere Förderungen erhalten. 

Träger der Kitaplatzkosten

Eine Studie vom Kompetenzzentrum öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig (KOWID Institut) kam 2021 zu dem Ergebnis, dass im Land Brandenburg 2020 rund 37 Prozent der Kitakosten (Krippe, Kita und Hort) durch das Land getragen wurden, während die örtlichen Jugendhilfeträger mit 25 Prozent und die örtlichen Gemeinden mit 20 Prozent beteiligt waren. Die Eltern trugen dabei in etwa 12 Prozent des Kitahaushaltes, freie Einrichtungen 2,5 Prozent und etwa vier Prozent wurden weiteren Kostenträgern zugeordnet.¹

Kitafreie Familien tragen sich selbst

Kitafrei lebende Familien tragen zudem die Verantwortung für die Begleitung ihrer Kinder, regelmäßige Kinderkontakte und auch für ihre Selbstfürsorge, um über ausreichend Energie und emotionale Gelassenheit zu verfügen, im Alleingang. Je nach familiärer Situation am Wohnort, also ob es beispielsweise involvierte Großeltern und Familienangehörige für die Kinderversorgung gibt oder nicht, kann das Unterfangen die eigenen Kinder selbst zu begleiten, unter teilweise massiven finanziellen Einschränkungen, zur Mammutaufgabe werden. 

Zudem werden Eltern, die viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, verstärkt mit eigenen Prägungen und Traumata konfrontiert sowie unterschiedlich verteilten Aufgaben zwischen den Eltern, wofür Beratung, Coaching und therapeutische Begleitung eine große Unterstützung sein kann.

Vor aktueller Studienlage aus Neurowissenschaften, Bindungsforschung und Entwicklungspsychologie wird jedoch deutlich, dass kitafreie Familien wissenschaftlich nachvollziehbare Gründe für ihren Weg vorlegen können und zudem einen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesunderhaltung leisten.² 

Wie können Städte und Gemeinden somit kitafrei lebende Familien unterstützen, um Anteile der durch sie gesparten Kosten für die Familien nutzbar zu machen und den Familien angemessene Begleitung und Unterstützung zu ermöglichen?

Kontaktaufnahme

Zunächst bietet sich die Kontaktaufnahme mit ortsansässigen Familien an, die ihre Kinder selbst betreuen, da diese vermutlich bereits über ein Netzwerk vor Ort verfügen und die örtlichen Gegebenheiten und Bedarfe am besten kennen. Gemeinsam können so örtliche Bedarfe und Unterstützungsmöglichkeiten gefunden, ein Netzwerk ausgebaut und Angebote gestaltet werden. 

Netzwerken

Zum Netzwerken eignen sich insbesondere Telegram- oder WhatsApp-Gruppen sowie auch entsprechende Angebote in den örtlichen Familienzentren. Gegebenenfalls finden sich unter den kitafreien Familien auch Eltern, die gerne Initiativen übernehmen möchten, um Treffen zu organisieren und digitale Gruppen zu erstellen. 

Kitafrei-Beauftragte:r

Natürlich ist auch ein:e Beauftragte:r, beispielsweise in einem Familienzentrum, denkbar, welche:r die Vernetzung unterstützt und mit den Eltern regelmäßige Aktionen, auch im Freien, organisiert und begleitet.

Begegnungsräume

Natürlich wünschen sich auch viele kitafrei lebende Familien für sich und ihre Kinder regelmäßige Kontakte mit anderen Kindern und Familien. Während von Frühling bis Herbst gerne die Natur für Treffen genutzt wird und man sich mit kleineren Kindern auch noch gut Zuhause treffen kann, so wird es mit etwas größeren Kindern ab ca. zwei Jahren in kleinen Wohnungen doch schnell zu quirlig und nicht immer gibt es Familien mit ausreichend großen Wohnungen oder Häusern, die für regelmäßige Treffen zur Verfügung stehen.

Zeiträume für Kitafrei-Treffen in Familienzentren können hierzu eine gute Möglichkeit darstellen, wöchentliche Treffen auch bei schlechtem Wetter zu ermöglichen. Dabei sollte beachtet werden auch sinnvolle Zeiträume anzubieten wie etwa von 10:00 – 12:00 Uhr und nicht der freie Mittagszeitraum von 13:00 – 15:00 Uhr, in dem natürlich auch die meisten kitafreien Kinder Mittagessen und schlafen.

Aber auch Abwechslung oder weitere Möglichkeiten wie Turnhallen oder Scheunen können natürlich mitbedacht werden und spannende Orte mit Bewegungsmöglichkeiten darstellen. Da die Natur und der Wald Kindern mehr Details, Möglichkeiten, Herausforderungen und Materialen bietet, als Spielzeug dies vermag und zudem alle Sinne anspricht und den natürlichen Bewegungsdrang unterstützt, ist es sinnvoll auch Begegnungsräume in der angrenzenden Natur zu finden. Natürlicherweise treffen sich kitafrei lebende Familien ohnehin häufig an geeigneten Plätzen in der Natur. 

Die Stadt kann hier mit Wissen und gegebenenfalls Bereitstellung solcher Orte unterstützen sowie dabei helfen regelmäßige Treffen an diesen Orten zu organisieren. Vielleicht gibt es auch Umweltvereine mit Gärten und freien Zeitfenstern oder nutzbare Pfarrgärten etc. 

Eltern-Kind Café

Eine gute Möglichkeit Familien einen Ort zum Austauschen, Vernetzen und Treffen zu ermöglichen sind Eltern-Kind Cafés sowie für Mütter mit kleineren Kindern Still-Cafés. Diese Begegnungsräume ermöglichen auch die flexible und spontane Nutzung sowie einen guten Ausweichort bei schlechtem Wetter.

Gruppenleiter:innen

Als Elternteil regelmäßige Treffen für die Kitafrei-Community zu organisieren kann mit Kind herausfordernd sein. Pünktlichkeit, Absprachen im Vorfeld sowie andere Bedürfnisse des eigenen Kindes vor oder während dem Treffen können die Verlässlichkeit der Organisatorin erschweren. Zudem kann es für Eltern eine schöne Erfahrung sein, sich einmal fallen lassen zu können und dem Austausch mit anderen zu widmen, während jemand die Kinder im Auge und ggf. Angebote für die Kinder mitgebracht hat. Hierzu gib es mehrere Möglichkeiten, die alle deutlich erleichtert werden, wenn ein:e Gruppenleiter:in ohne Kind dabei ist, welche:r die Bedürfnisse von vielen im Blick behalten kann, die Treffen dynamisch begleiten oder auch zu bestimmten Themen anleiten kann.

Zunächst besteht die Möglichkeit die Treffen so zu gestalten, dass die Eltern Möglichkeiten haben sich auszutauschen und ins Gespräch miteinander zu kommen, während die Kinder dabei sind und selbst auch interessante (begleitete) Tätigkeiten vorfinden (wie Basteln, Spiele, Tipibau im Wald etc.).

Das Alter der Kinder spielt natürlich eine wichtige Rolle für die Angebote. Bei gemischten Gruppen kann es für die kleineren Kinder sehr spannend sein, den größeren zuzuschauen und altersgerecht auch an den Aktivitäten der größeren teilhaben zu können.

Bei den Treffen können natürlich auch die gemeinsamen Aktivitäten mit Eltern und Kindern, wie Singen, gemeinsames Basteln, Parcours, den Wald erkunden, Hüttenbau etc. im Mittelpunkt stehen und der Austausch der Eltern dann in geeigneten Momenten geschehen.

Oder es gibt Angebote für die Kinder, bei denen die Eltern überwiegend beobachten und begleiten während die Kinder mit ihren Aktivitäten im Mittelpunkt stehen. 

Natürlicherweise finden Treffen meistens in Mischformen statt aber mit Gruppenleiter:in ohne Kind vor Ort, sind viele Varianten denkbar und in Absprache mit den Eltern werden hier sicher verschiedene Angebote wahrgenommen. 

Beispiele für weitere gemeinsame Aktionen sind: Gärtnern (vielleicht gibt es Eltern mit Kleingärten), Müll sammeln (ggf. mit Schatzsuche), Laternenumzug zu St. Martin, (Bastel-) Materialien in der Natur suchen, gemeinsam Grillen/Essen und jeder bringt etwas mit, Bauernhofbesuch, Vernetzungstreffen mit Angeboten (z.B. Riesenseifenblasen, Spielmöglichkeiten, Kinderschminken, Zirkuspädagogik etc.)

Natürlich braucht es nicht zwingend eine:n Gruppenleiter:in für gemeinsame Treffen und Angebote für Kinder jedoch vergrößern sich damit Möglichkeiten, Verlässlichkeit und Konstanz für die Treffen. 

Angebote

Neben oftmals vielschichtigen Angeboten für Eltern mit Kindern im ersten Babyjahr gehen die Angebote für ein- bis dreijährige Kinder und darüber hinaus meist sehr stark zurück und die Wartelisten von Vereinsangeboten wie „Krümelturnen“ oder „Kinderyoga“ sind lang. Diese Angebote ermöglichen jedoch insbesondere kitafreien Familien regelmäßiges Spiel mit anderen Kindern und Austausch und Vernetzung der Eltern. Solche Angebote können auch durch Städte und Gemeinden in Zusammenarbeit mit entsprechenden Vereinen oder Gruppenleiter:innen, natürlich für alle Familien der Region, gefördert und ausgebaut werden.

Förderungen

Hält sich die Stadt oder Gemeinde vor Augen, wieviel Kosten sie durch die kitafrei lebenden Familien einspart, so ergeben sich gegebenenfalls Möglichkeiten etwas davon an die Familien zurück zu geben. Neben finanziellen Zuschüssen kann auch eine Zusammenarbeit mit örtlichen (familienfreundlichen) Unternehmen infrage kommen, indem beispielsweise Unternehmen Zuschüsse erhalten, wenn Väter (oder Mütter) Arbeitsstunden, mit gleichbleibendem Gehalt, reduzieren können.

Zudem können Selbstständigkeiten von Eltern mehr gefördert werden, indem auch Beratung, Coaching und Begleitung vergünstigt oder kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Viele Mütter beginnen in den ersten drei kitafreien Jahren eine Selbstständigkeit mit geringem Stundenansatz, welche oft Herzensthemen verwirklicht und damit den Müttern, neben ihrer Mutterrolle, zu mehr finanzieller Freiheit, Selbstwirksamkeit und ggf. Anerkennung verhilft, wenn dies gewünscht ist. Auch Väter und ganze Familien orientieren sich in dieser Zeit oft um, starten Herzensprojekte und gründen Familienunternehmen. 

Unbedingt sollte die Inanspruchnahme von Therapie, Eltern- und Paarberatung, Coaching und Elterncoaching, Weiterbildungen und Seminaren finanziell gefördert und unterstützt werden. Das Aufarbeiten eigener Traumata und Prägungen stellt vielmals die Grundlage für eine bindungs- und bedürfnisorientierte Begleitung der eigenen Kinder sowie für eine gelingende Partnerschaft dar, was nicht hoch genug bewertet werden kann. 

Familienbegleiter:innen

Im Rahmen der oben genannten Förderungen durch frei gewordene finanzielle Ressourcen, kann auch angedacht werden, mehr Familienbegleiter:innen durch die Stadt zu beschäftigen, welche auf aktuellen Wissenschaftsgrundlagen für die bindungs- und bedürfnisorientierte Begleitung von Kindern und Eltern aus- und weitergebildet wurden. Auch kann hierzu mit örtlich selbstständigen Familienbegleiter:innen, wie Therapeut:innen, Coaches und Berater:innen zusammengearbeitet werden. Eine gute Referenz für ebensolche Ausbildungen stellt das Portfolio von www.transparents.net dar.³

Eben solche Familienbegleiter:innen können mit einem örtlich bedingten Stundenansatz ausschließlich für kitafreie Familien oder solche, die sich in der Entscheidungsfindung zum Krippenthema befinden, vorgehalten werden. 

Elternbildung

Zudem kann ein Forum geschaffen werden, in dem regelmäßige Weiterbildungen in Form von Elternabenden, Seminaren und Workshops zu Themen der bindungs- und bedürfnisorientierten Begleitung von Kindern stattfinden. Neben Veranstaltungen ohne Kinder sollten auch Möglichkeiten bedacht werden, solche Weiterbildungen auch mit Kindern zu besuchen. Auch hier sollte immer die Möglichkeit für Austausch und das einbringen eigener Themen ermöglicht werden.

Beratung

Und schlussendlich sollte unbedingt die Möglichkeit bestehen, sich gezielt zu unterschiedlichsten Familienthemen beraten zu lassen. Oftmals finden sich keine Beratungsmöglichkeiten zu finanzieller Unterstützung, Fördermöglichkeiten und sozialrechtlicher Hilfestellung zu den Themen Kinderzuschuss, Wohngeld/Kinderwohngeld, Bürgergeld als Familie und Selbstständigkeit mit aufstockenden Leistungen. 

Natürlich ist auch die Beratung zu weiteren Themen, wie Organisation des Alltags mit Kind, bindungs- und bedürfnisorientierte Begleitung von Kindern, Partnerschaft und Selbstfürsorge sehr wichtig, doch eine Beratung über die sozialrechtliche Situation und Finanzierungsmöglichkeiten der Selbstbetreuung der Kinder sollte unbedingt zur selbstverständlichen Grundausstattung der örtlichen Familienberatung gehören und auch so platziert werden, dass diese gefunden und in Anspruch genommen werden kann.

Bei Terminausbuchungen mit mehr als acht Wochen Vorlaufzeit kann darüber nachgedacht werden, das eingesparte Geld durch die kitafreien Familien auch dazu zu verwenden, mehr Personal zu beschäftigen oder Zeiträume bei entsprechenden Selbstständigen vor Ort zu gewährleisten.

Insgesamt gibt es somit weitreichende Möglichkeiten kitafreie Familien von Seiten der Städte und Gemeinden zu unterstützen und dabei ein Angebot zu schaffen, das darüber hinaus auch allen örtlichen Familien zugute kommt.

Wir beraten Sie!

Hierzu berät und begleitet Liebe Trägt Städte und Gemeinden bei der Implementation entsprechender Strukturen und unterstützt dabei, die örtlichen Gegebenheiten bestmöglich nach den Bedarfen der hier lebenden Familien auszubauen und zu nutzen. Nehmen Sie dazu gerne mit uns Kontakt auf.

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¹ Neiße, W. (23.09.2021, 08:39 Uhr, Potsdam). Ein Kitaplatz kostet 7700 Euro. Studie zur Finanzierung vorgestellt. Land bezahlt 37 Prozent der Betreuung. Artikel in nd unter https://www.nd-aktuell.de/artikel/1156866.kindergaerten-ein-kitaplatz-kostet-euro.html (abgerufen am 08.10.2023) 

² vgl. Rass, E. (2017). Bindung und Sicherheit im Lebenslauf. Psychodynamische Entwicklungspsychologie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 28. & vgl. Götze, H. K. (2019). Die Sehnsucht kleiner Kinder. Liebe und Geborgenheit in der Erziehung – Eine Ermutigung für Eltern. S. 65f. 

³ Website Transformational Parenting.  https://transparents.net/?gclid=Cj0KCQjwpompBhDZARIsAFD_Fp_g9rsclqjCWin72SyVOQd9AsWfRSMh_wS7sbCjfl4TssA6SjzTv_caAlEaEALw_wcB (abgerufen am 08.10.2023)